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Leipziger Volkszeitung

Demokratisch, energetisch, transparent

Jerusalem-Quartett im Gewandhaus

VON LUISE WEISS

Die Konkurrenz war groß, lockte doch die Sonne in die Parks und die Oper mit ihrem taufrischen „Ring“. Alle, die dennoch in den Mendelssohn-Saal des Gewandhauses fanden, wurden aber belohnt mit einem Quartettkonzert erster Klasse: Im Ramen ihrer Jubiläumstournee zum 20-jährigen Bestehen spielte das Jerusalem-Quartett ein Programm, das die klangliche Flexibilität und das Farbenreichtum des Ensembles voll zur Geltung brachte.

Beethovens Quartett 18/6 atmet noch den Geist Mozarts und Haydns. Und so beginnt das Konzert in klassischer Leichtigkeit. Doch auch die Einflüsse des Sturm und Drangs auf den jungen Komponisten zeigt das Jerusalem-Quartett mit bemerkenswerter Energie – mit dem es überhaupt den ganzen Abend auflädt.

Dazu wirkt jeder Ton durchdacht, jedes Werk bis ins Detail ausgearbeitet. Der Klang ist im besten Sinne demokratisch, niemand beansprucht die Führung. Und wie wichtig den Vieren die Kommunikation untereinander ist, lässt sich daran ablesen, wie selten die Blicke in den Noten und wie oft sie auf den Mitspielern ruhen. Die kleinen Unebenheiten in der Intonation zu Beginn des vierten Satzesschmälern in keiner Weise den Hörgenuss, sondern erinnern die Zuhörer daran, dass da auf der Bühne eben doch noch Menschen sitzen.

Schon die ersten Takte von Bartóks viertem Streichquartett katapultieren das Publikum in eine völlig andere Klangwelt, der das Ensemble ebenfalls in Perfektion gerecht wird. Bei allen rhythmischen Verschiebungen gerade im zweiten Satz bleibt der Klang stets transparent und glasklar, was in keinem Augenblick zu Lasten der Emotion geht. Die Pizzicati des vierten Satzes funkeln humorig, die brutalen Akkord-Blöcke des fünften Satzes erinnern unverhohlen an Strawinskys „Sacre“. Wie sehr das Publikum von der Spielfreude der Musiker mitgerissen wird, ist in den Pausen zwischen den Sätzen zu hören: Das Husten wird von Satz zu Satz weniger.

Nach der Pause steht Dvoráks 12. Quartett auf dem Programm, das den Beinamen Das Amerikanische trägt. Auch hier muss sich das Ensemble wieder in eine völlig andere Klangsprache einfinden, was eindrucksvoll gelingt. Trotzdem wirkt das Werk nach der ersten Hälfte des Konzerts etwas blass, im Gegensatz zum Bartók fast ein wenig harmlos. Doch spätestens in der Durchführung des Kopfsatzes haben die Musiker ihre Zuhörerschaft wieder in ihren Bann gezogen und bieten nun einen schwelgenden Dvorák, dessen Kantilenen nie ins Kitschige abrutschen, stets schwerelos bleiben. Die anachronistische Werkfolge an diesem Abend erschließt sich mit den letzten beiden Sätzen Dvorák, die mit ihrer Ausgelassenheit die nötige Finalwirkung haben. Mit Bravo-Rufen und langem Applaus kann das Publikum die Musiker noch zu zwei Zugaben überreden.

May 11, 2016

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